18 März 2006

Man kultiviert sich

Im Institut gehört es zum guten Ton, den Mexikanern nicht nur die Feinheiten der französischen Sprache sondern auch die Grundlagen französischer Kultur beizubringen. Nichts leichter als das, hm? Wie dem auch sei, heute ist für meinen Fortgeschrittenenkurs "Klassenausflug" angesagt, und zwar ins Casa de Francia, Besichtigung mit Führung bis 20h00, anschliessend kann man noch im Viertel einen trinken gehen und damit die corporate identity fördern. Wie immer, wenn ich so was organisiere, bleibt die Hälfte des Kurses schlicht zu Hause, und auch dieser Kurs hält der Tradition die Treue, was will man machen.

Ich treffe verfrüht ein und nutze die Zeit, um mich in der Buchhandlung umzusehen, kaufe ein paar Zeitungen. Bei allem, was in Paris zur Zeit wieder abgeht, muss man sich ja informieren. Das Buchangebot ist wie immer armselig. Kollegen haben schon vermutet, diese Buchhandlung diene eigentlich der Geldwäsche. Nach und nach erscheinen die Studis, David, Atenea, Gilda, die beiden Alejandras, Mario, Marco, Homar - es kann losgehen. Zu meiner Linken, das Restaurant "Cordon Bleu", eigentlich eine Kochschule, sehr gut und sehr teuer. Zu meiner Rechten, das Institut für Modedesign (Gastronomie und Haute Couture, man bleibt sich treu...). Und nun die Mediathek. Diese ist allerdings ausgezeichnet, dank verdienstvoller Mitarbeiter. Zunächst die Zeitschriften, dann die CDs, dann die DVDs, schliesslich die Bücher. Den Studis gefällt es (was durchaus beabsichtigt war), sie sind sogar hellauf begeistert, als sie die Erwachsenencomicabteilung entdecken mitsamt den wenig prüden Illustrationen (das war zwar weniger beabsichtigt, aber wenn schon...). Ich weise darauf hin, dass Leute wie Reiser, Moëbius, Druillet, Margerin etcetera in Frankreich zur Hochkultur zählen.

Wir lassen den Abend im Konditori in der Zona Rosa ausklingen. Vor rund dreissig Jahren zählte das Viertel noch zu den kulturell dynamischsten. Inzwischen ist es eine einzige Touristenfalle mit wenig Lichtblicken, dafür mit um so mehr kitschigen Mariachibars und Stripteaselokalen. Die Studis stellen mir die üblichen Fragen, wie lange ich schon im Mexiko sei, warum und mit wem, welche andere mexikanische Städte ich schon besichtigt habe, was mir an der Hauptstadt besonders missfalle (komisch, ich werde selten gefragt, was ich an der Hauptstadt liebe...). Ich spule meine Standardantworten ab, dann bin ich mit dem Auskundschaften dran. Atenea lädt mich zu den Proben ihrer Band ein, dessen Sängerin sie ist. Und das war's auch schon: Acht Studis, denen Gelegenheit gegeben wurde, ihr Französisch mal ausserhalb des Klassenraums anzuwenden.

Was anderes: neulich stand im Spiegel, dass die mp3-Tauschbörsen im Netz nacheinander dichtmachen. Ach nee? In der Bloggerszene gibt es noch genug Widerständler, keine Angst. Und mal ehrlich, ich werde mich kaum genieren, hier und dort die Maus spazieren zu führen, besonders, wenn es um Musik geht, die kaum oder gar nicht im Handel vorrätig ist. Man muss ja nicht den Schrott hören, den uns die Majors andrehen wollen, und Deutschland kann von mir aus seinen Superstar suchen, aber ohne mich. Wen's interessiert, der kann zum Beispiel mal bei mordi vorbeischauen und sich durch die Links klicken. Da gibt's einiges zu hören - und nicht nur zu hören, hehe!... Was? Nö, habichnichgesagt.

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