17 Februar 2006

Welke Blätter 1

Einer der grossen Vorzüge des Internets ist ja, dass man Spuren von allen möglichen Leuten findet. Auch von Leuten, die nie vorhatten, im Internet verewigt zu werden, dank eines Kollegen, eines Bekannten-der-es-gut-mit-einem-meint.

Als ich 1987/88 mein Jahr an der Sorbonne absolvierte, lernte ich zwei Freundinnen kennen, weiss nicht mehr wo, wahrscheinlich in irgendeinem Hörsaal. Die eine, nennen wir sie Pauline, wohnte noch bei ihren Eltern, Grossbürgertum des 6. Arrondissements, Traditionalisten, kein Fernsehen, dafür erlesene Werkausgaben und Lexika von anno dazumal, sie selbst sehr katholisch, brachte den Kids anderer grossbürgerlicher Familien den Kateschismus bei. Die andere, nennen wir sie Agnès, ursprünglich aus der Normandie, hatte ein Zimmer im selben Gebäude bezogen, interessierte sich mehr für's Soziale und hatte eigentlich sonst nicht viel mit Pauline gemeinsam. Ich war wahrscheinlich in die eine oder andere verknallt, genau weiss ich es nicht, überhaupt wusste ich mit 22 nicht im Geringsten, was ich wollte. Hätte man mir gesagt, ich würde eines Tages aus Mexiko bloggen, ich hätte verwundert aus der Wäsche geschaut. Pauline und Agnès dagegen, nennen wir sie mal so, wussten schon damals genau, was sie wollten.

Nach einigem Stöbern im Netz steht nun fest, dass beide den festgesteckten Kurs ziemlich genau eingehalten haben. Pauline ist verheiratet, hat vier Kinder und ist immer noch mit dem Typ zusammen, den sie 1988 kennengelernt hat. Ich war dabei, als die Begegnung statt fand. Ein ziemliches Arschloch, dachte ich damals. Pauline wohnt jetzt in einem schmucken Dorf in der West-Banlieue, und ist immer noch für Kateschismus zuständig, jetzt als Mama. Agnès dagegen ist Lehrerin an irgendeiner Schule in der Ost-Banlieue. Sie ist ebenfalls verheiratet, trägt einen Doppelnamen und hat gerade eine Unterschriftenliste gegen irgendein neues Bildungsgesetz signiert.

Habe keine grosse Lust, mit beiden Kontakt aufzunehmen, was soll's, aber es tut gut zu wissen, dass es ihnen allen Anschein nach gut geht. Andererseits bin ich doch überrascht, wie wenig überraschend ihr bisheriges Leben verlief...

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