28 April 2006

Deutsche Woche

Auch das gibt es: eine deutsche Woche im Supermarkt um die Ecke. Wenn allerdings die Deutschen ihre Produkte aus- oder vorstellen, wirkt das insgesamt bescheidener als wenn die Franzosen das tun. Vor gar nicht allzu langer Zeit war ich auf einer Präsentation französischer Produkte: das fand immerhin in einer eigens angemieteten Galerie statt, der Botschafter war zugegen, viele wichtige Gäste oder solche, die sich dafür hielten, jede Menge Vorträge und Häppchen. Okay, die Produkte, um die es sich handelte, liefen allesamt unter der Kategorie "Luxus": Gänseleberpastete, Schampus, Kognac, Absinth usw. Ich fragte mich, ob die Mexikaner nicht völlig falsche Vorstellungen von dem haben werden, was sich der Durchschnittsgallier zum Abendbrot so alles reinzieht, aber sei's drum.

Die deutsche Variante, wie gesagt, besteht aus ein paar Regalen, einem Tisch und einer halbwegs angelernten Halbtagsverkäuferin. Das Problem ist natürlich, dass Frischkost nicht so ohne Weiteres importiert werden kann, oder aber man muss sie klammheimlich an den Zollbeamten vorbeischmuggeln. Diese wiederum haben sich längst zu Spezialisten für erlesene Käsesorten oder Pâté-Sorten gemausert, bei all dem, was die täglich beschlagnahmen.

Fazit: keine Wurst, entgegen dem, was uns das Plakat "el sabor de Alemania" verspricht. Man speist uns mit Abgepacktem ab: Fischkonserven, Dosensuppen, Chipsletten, Schogetten. Komischerweise kenne ich abgesehen von Bahlsen oder Haribo kaum einen der Markennamen; nicht gerade das, was man bei Plus oder Aldi findet. Aber gut, geben wir ruhig obskuren Einmannbetrieben mal eine Chance (und schauen wir vorsichtshalber aufs Verfallsdatum der Packung).

20 April 2006

Musik!

Ich hatte es mal erwähnt, aber die Sache weitet sich aus, also gebe ich noch was Senf hinzu: wie viele inzwischen wissen, spriessen seit einiger Zeit in der Blogosphäre die musikalischen Weblogs wie Pilzköpfe aus den Boxen. Noch schöner: es existiert eine Website, die praktischerweise als Sammelstelle für Musikblogs fungiert und Links zu den einzelnen Downloads anbietet. Legal? Illegal? Gut, wenn ihr euch von Mexikos aus einloggt, könnt ihr den lieben Mann einen guten Gott sein lassen und das Zeug einfach runterladen. Falls ihr euch von Europa aus einloggt, verständigt euch erst mit eurem schlitzohrigen Anwalt und dann könnt ihr das Zeug runterladen. Aber auch ohne Rechtsbeistand habe ich nicht den Eindruck, dass sich plötzlich FBI-Agenten, Bundesgrenzschutz oder Heilsarmee bei euch im Hausflur tummeln werden. Immerhin haben sich die Musikblogger einer Deontologie verschrieben: zum Beispiel bleiben die Songs nur für eine begrenzte Zeit online, manchmal nur für sieben Tage (obwohl man hin und wieder die ein oder andere nette Überraschung erlebt...). Der Akzent des Angebots liegt klar auf Indie-Rock, also Musik, für die es wenig oder kaum Promotion gibt. Der andere Schwerpunkt sind fast vergessene Klassiker, die es höchstens noch auf Vinyl gibt (erinnert euch: die runden schwarzen Scheiben mit dem Loch in der Mitte...). Oder wer erinnert sich noch an die Ventures, die Swan Silvertones, an Jacqueline Taïeb oder die West Coast Pop Art Experimental Band? Aha. Ich nämlich auch nicht.

Klarer Fall: Wahre Musikliebhaber sind angesprochen. Wenn ihr nur einmal im Jahr eine CD kauft und besagte CD die neue Madonna ist, dann sind solche Musikblogs wohl nichts für euch (jaja, schon gut, alles Geschmacksache...). Für die anderen empfiehlt sich ein 10-Giga-Speicher auf dem iPod.

14 April 2006

Alles in Butter

Den Preis für den dämlichsten Produktnamen des Monats trotz hartnäckiger Konkurrenz gewinnt diesmal:

Jawoll, I Can't Believe It's Not Butter, eigentlich ultrahocherhitzte Margarine (gesalzen). Zum Glück steht's drauf. Denn wenn man nur den Markennamen liest, also Ich kann's nicht glauben, dass das keine Butter ist, tja, was hätte man da wohl messerspitzenscharf gefolgert? "Hm... doppelte Verneinung... also ist es Butter!" - "Nee, Quatsch, er sagt doch, dass er nicht glauben kann, dass es keine Butter ist!" - "Eben, und er täuscht sich, also ist es Butter." - "Eben nicht!" - "Eben doch!" - "Du mich auch." - "Ich dich was?!" piff! PAFF! etc.

Wer kommt denn auf solche Namen? Ich habe ein paar schlaflose Nächte verbracht und bin dann zu dem Schluss gekommen, dass hier womöglich Talkshows inspirierend gewirkt haben. Als wär's ein Untertitel, der in Zitatform möglichst griffig die Showgäste charaterisieren soll. "Und nun, meine Damunherrn, kommen wir zu unserem nächsten Gast, Gary aus Tucson/Arizona, der, glaube ich, uns ein einfühlsames Geständnis machen wird. Applaus!" Klatsch klatsch klatsch. Kaum ist der Applaus abgewürgt, bricht Gary in Tränen aus: "Ich... ich kann's nicht glauben, dass das keine Butter ist, bääääääh". Unten am Bildschirm wird eingeblendet: Gary aus Tucson/Arizona - "Ich kann's nicht glauben, dass das keine Butter ist" Dramatisch. Fesselnd. So fesselnd, dass sich ein PR-Mensch, der just zu dieser Uhrzeit vorm Fernseher sass, gesagt haben muss, he, gar nicht so blöd, könnte man glatt als Produktname für unsere Margarine nehmen!... Gesagt, getan.

Und so werden uns wieder mal Sachen auf's Brot geschmiert...

12 April 2006

Yemen

Nein, ich bin nicht überraschend nach Jemen gereist, ich sitze nur in einem Café, das zufällig so heisst. Die Besitzer sind vermutlich Jemeniten, wenn auch nichts im Café, weder im Design noch in der Speisekarte, irgendeinen orientalischen Ursprung verrät. Oder doch: das eingravierte Kamel in der Tischplatte, aber andererseits hat vielleicht nur der Sponsor, eine bekannte Zigarettenmarke, für diskrete Werbung gesorgt.

Jemeniten habe ich nur in Greifswald kennengelernt; die meisten studierten Pharmazeutik. Ich war kaum in die Stadt gezogen, da machte mich Estéban der Spanischlektor mit seinem orientalischen Freundeskreis bekannt. Es gab einige denkwürdige Feten, an denen neben den Jemeniten auch Syrianer, Libanesen oder Ägypten teilnahmen. Von religiösem Fanatismus keine Spur, keine der Frauen trug ein Kopftuch. Jahre später habe ich erfahren, dass einer der Terroristen von 11. September genau in dieser Zeit ebenfalls in Greifswald war, um dann später zu der berüchtigten Hamburger Zelle um Mohammed Atta zu stossen. Ich frage mich, ob der mit den selben Leuten wie ich Umgang hatte. Wer weiss, vielleicht hat's sogar einen Partyplausch zwischen uns gegeben? "Na, was willste denn machen, nach dem Studium? Pilot? Hey, cool!..."

08 April 2006

Gelassen

Manche Zeichen trügen nicht. Élodie zum Beispiel, die mir an diesem Samstagnachmittag mit leuchtenden Augen zuflüstert: "Noch eine Stunde und fünfzehn Minuten, und wir haben Urlaub!" Wir sind im Institut, und es finden die letzten Kurse vor den zweiwöchigen Osterferien statt. Wir immer haben alle die Nase voll von der Arbeit, als ob die nahenden Ferien reale oder erdachte Müdigkeit legitimierten. Von den Studis haben komischerweise die wenigsten blau gemacht, dabei ist es eine wohlbekannte Tatsache, dass die Hauptstädter während der semana santa ausschwärmen. Für die Dagebliebenen bedeutet das folglich mehr Lebensqualität: weniger Verkehr, weniger Abgase, Taxis wann man will, keine Wartezeiten in Restaurants. Für einige Tage wirkt die Stadt ungemein gelassen, wie hier in der Strasse, in der wir wohnen:

Inzwischen ist es Abend, ich habe offiziell Urlaub und schüttle den Stress der vergangenen Tage von mir ab. Die Strasse sehe ich nun mit anderen Augen, eine Fülle alltäglicher Details erschliessen sich mir. Don Cruz lehnt gedankenversunken mit dem Rücken an einem Wagen, den er gerade gewaschen hat. Don Ray, sein Helfer, wirft mir grinsend einen wissenden Blick zu (obwohl ich immer noch nicht weiss, auf welches Wissen er anspielt und ob dieses Wissen ein Grinsen rechtfertigt). Etwas weiter hinten unterhalten sich die Taxifahrer auf ihrem sitio, warten auf eine Meldung der Zentrale. Blätter fallen, Zweige spriessen, Grünzeug grünt - hier machen die Bäume, was sie wollen, jeder entscheidet für sich, ob Frühling, Sommer oder Herbst ist. Etwas später geht einer der Nachbarn mit seinen beiden Labradors Gassi. Und mit seinen beiden grünen Papageien, einen auf jeder Schulter. Alle da, alles in Ordnung...